Wer ist „Die Schleuse e. V.“?

Die Schleuse e.V. ist ein gemeinnütziger Jugendhilfeverein in Landkreis und Stadt Cuxhaven. Mit zwei Standorten (einem in der Mitte des Landkreises, in der Stadt Geestland und einem zentral gelegen, in der zweiten Etage des Bahnhofs in Cuxhaven), setzt der Verein die ambulanten Angebote für straffällig gewordene Menschen nach §10 JGG um. D.h. die Hilfemaßnahmen, die das Jugendgerichtsgesetz vorsieht, werden unmittelbar von dessen sozialpädagogischen Team (6 Sozialpädagog:innen in Vollzeit) vor Ort durchgeführt.

Wer ist die Zielgruppe?

Die Adressat:innen sind straffällig gewordene Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren und Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren.  Die Teilnahme an dem Angebot erfolgt nach jugendrichterlicher Weisung. Die Zielgruppe nimmt also (zunächst) auf Grund eines Zwangskontexts an dessen Maßnahmen teil. Die Adressat:innen sind häufig mehrfach belastet junge Menschen aus komplexen Familiensystemen, mit einer Vielzahl von Problematiken. Häufig erleben sie Armut, Benachteiligung im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt und Vernachlässigung und/oder Überforderung in ihrer Familie. Einige junge Menschen, die der Verein begleitet, haben schon früh Bekanntschaft mit der Jugendhilfelandschaft gemacht und haben unterschiedliche Hilfesysteme durchlaufen (häufig auch stationär). Beziehungsabbrüche und Neuanfänge sind über die Jahre leider zur Routine geworden, das Einlassen auf neue Hilfsangebote wird immer schwieriger.

Was sind ambulante Angebote für straffällig gewordene junge Menschen nach § 10 JGG?

Die Angebote sind gesetzlich vorgesehene Hilfen und sollen den Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes stärken. Nach dem Motto „Helfen statt Strafen“ will der Verein den größtmöglichen pädagogischen Handlungsspielraum nutzen, um kreativ und am Jugendlichen orientiert, passgenaue Unterstützungsmaßnahmen anbieten zu können.

Maßnahmenkatalog:

  • Die Betreuungsweisung ist eine der intensivsten Weisungsformen des Vereins und wird in der Regel für einen Zeitraum von 3 bis 12 Monaten gewiesen. Die zentrale pädagogische Methode ist das Einzelgespräch und findet in wöchentlichen Terminen statt. Inhalte der Zusammenarbeit richten sich nach der Lebenssituation und Lebenswelt des jungen Menschen. Im Allgemeinen gelten folgende Zielsetzungen:
  • Vermeidung freiheitsentziehender Rechtsfolgen
  • Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten
  • Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und des Sozialverhaltens
  • Förderung der schulischen bzw. beruflichen Entwicklung
  • Förderung der Verselbständigung und Alltagsbewältigung
  • Förderung der Freizeitgestaltung
  • Der Soziale Trainingskurs wird als fortlaufende Gruppe mit gemeinsamem Beginn und Ende in 16 Wochen durchgeführt. Die Gruppenarbeit besteht aus informierenden, problemanalysierenden, -mindernden bzw. -lösenden sowie handlungs- und erlebnisorientierten Elementen. Die Gruppenaktivitäten und -gespräche werden ausgehend von der jeweiligen Gruppensituation und den aktuellen Bedürfnissen und Problemlagen der teilnehmenden Jugendlichen und Heranwachsenden gestaltet. Der soziale Trainingskurs hat in der Durchführung immer Module zur Tataufarbeitung, die Reflexion des eigenen Verhaltens und im Besondern eine Empathie für die geschädigte Person wecken soll. Ein weiterer Baustein des Kurses ist das Anti-Gewalttraining, denn in der Regel wird bei Körperverletzungsdelikten der soziale Trainingskurs geurteilt. Wenn der Verein nicht pandemischen Zu- und Umständen ausgesetzt ist, besuchen er in jedem Durchlauf des Kurses die JVA Bremen und nimmt an dem Projekt „Gefangene sprechen mit Jugendlichen“ teil. Das Projekt bietet den Adressat:innen, die häufig selbst kurz vor freiheitsentziehenden Rechtsfolgen stehen, die Möglichkeit, vor Ort mit Gefangenen zu sprechen, Geschichten ihrer Biographie zu hören und Fragen zum realistischen Gefängnisalltag zu stellen. Ein zentrales Element ist auch die Besichtigung der JVA, inklusive dem Sehen der besonders gesicherten Hafträume und dem kurzen Eingeschlossensein in einer Zelle. Das unmittelbare Erleben vor Ort ermöglicht einen besonderen Bezug zu ihrer eigenen Lebenslage und schafft mehr Tiefe als ein Gespräch oder ein Film über Gefängnisse je könnte.
  • Die sozialpädagogisch betreuten Arbeitsweisungen finden in Kleingruppen in den eigenen Werkstätten statt und werden hauptsächlich von den eigenen Werkstattbetreuer:innen (Handwerker:innen) begleitet. Sie bieten praktische Erfahrungsräume und ermöglichen die Umsetzung von Fähigkeiten im Umgang mit Materialien und Medien. Die zentrale pädagogische Methode ist die handlungsorientierte Gruppenarbeit, die sich an den Anforderungen der Arbeitswelt sowie an handwerklichen bzw. beruflichen Standards ausrichtet. Darüber hinaus orientiert sich das Angebot an den jeweiligen Fähigkeiten, Lebenslagen, Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmenden. Ergänzend zu dieser Gruppenarbeit werden im Bedarfsfall Einzelberatungen angeboten.
  • Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein Konfliktaustragungsverfahren im Rahmen des Strafrechts, in dem ein allparteilicher Schlichter (2 Mediator:innen im Strafverfahren sind in Team) zwischen zwei kontroversen Parteien oder Gruppen vermittelt. Die Auswirkungen der Tat sollen intensiv be- und verarbeitet werden. Am Ende steht eine gemeinsam erarbeitete Vereinbarung, die von beiden Parteien getragen werden kann.
  • Das Kurzinterventionsprogramm bei riskantem Alkohol und Drogenkonsum (KirA+D) findet in 4 Gruppenterminen und einem Anamnesegespräch statt. Anlass der Konzeptionierung war der Sachverhalt, dass vermehrt im Jugendverfahren Delikte auftauchten, die unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen begangen wurden. Ziel des Angebotes ist es, das eigene Konsumverhalten zu reflektieren und sich über soziale, gesundheitliche und psychologische Folgen zu informieren bzw. bewusst zu werden. In einem Gruppentermin berichtet ein Ex-User von seiner Biographie und schafft so einen Bezug zu den Lebenswelten der Adressat:innen.
  • Der Verkehrskurs ist ein spezialisiertes Gruppenangebot für Jugendliche und Heranwachsende, die strafrechtlich im Straßenverkehr aufgefallen sind. Bei den Gruppensitzungen wird der Verein in jeweils einer Einheit von Polizei und einem Strafverteidiger unterstützt. Der Kurs findet zweimal im Jahr mit jeweils zwei Gruppenterminen statt.
  • „Denkzeiten“ ist ein sozialpädagogisches Einzeltraining und findet in regelmäßigen Einzelterminen mit dem Jugendlichen/Heranwachsenden statt und wurde als innovatives sozialpädagogisches Angebot in Anlehnung an die Inhalte des sozialen Trainingskurses entwickelt. Notwendig wurde dieses Angebot, um auch die nicht gruppenfähigen, bzw. noch nicht gruppenfähigen jungen Menschen mit massivem Mangel an sozialer Kompetenz und Konfliktfähigkeit zu erreichen und mit ihnen die zentralen Aspekte der sozialen Kommunikation zu erarbeiten und bestimmte sozialkognitive Fähigkeiten zu fördern, die als Schutzfaktoren gegen Delinquenz bekannt sind.
  • „Männlich/Weiblich/Divers“ ist das jüngste Gruppenangebot und wird zum ersten Mal im Mai 2022 durchgeführt. Grund zur Entwicklung dieses Programms waren die immer häufiger auftretenden sexuell übergriffigen Delikte (sowohl online als auch in unmittelbarem Kontakt) und Verhalten der jungen Menschen im Alltag. Ziel des Angebots ist die Reflexion der Bedeutung des eigenen Geschlechts, Hinterfragen von stereotypen Rollenbildern, Aufklärung über unterschiedliche Formen von Sexualität. Ein besonderer Faktor wird vor allem das Erarbeiten von Akzeptanz bei einem „Nein“ und das Erkennen von persönlichen Grenzen sein. Der Verein freut sich auf die Kooperation mit Pro Familia, die ein Modul zum Thema „Mein Körper gehört mir“ einbringen wird. Zunächst ist das Angebot mit zwei Gruppenterminen und einem Anamnesegespräch geplant.

Ein weiteres Angebot wird schon seit 20 Jahren erfolgreich von „der Schleuse“ durchgeführt:

Die Offensive Gegen-Gewaltschule (OGGS) ist ein Trainings- und Schulungsprogramm für Familien, in denen die Gewaltproblematik zu eskalieren droht und dies besonders im Hinblick der Gewalt der Kinder/Jugendlichen gegen die Eltern oder einzelne Kinder eines Familienverbundes. Die Zielgruppe der „Offensiven Gegen-Gewalt-Schule“ sind Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 – 16 Jahren. Die Durchführung findet in 12 Wochen mit drei verschiedenen Handlungsansätzen statt. Zum einen gibt es eine altershomogene Kinder- oder Jugendgruppe, die sich einmal pro Woche trifft, zum anderen gibt es eine Gruppe für Eltern (oder sorgeberechtigte Personen) die in der Durchführungszeit an vier Schulungen teilnimmt. Zusätzlich finden 2 Familienseminare an Wochenenden statt, um durch familienstabilisierende Maßnahmen die Entwicklung eines positiven Klimas in der ganzen Familie zu fördern.

Ziele der Arbeit in der Kinder-/ Jugendgruppe Ziele der Arbeit in der Elternschule
Bearbeiten des gewalttätigen Verhaltens Entlastung von Familien mit eskalierender Gewaltproblematik
Konfrontation mit dem Täterverhalten (Anti-Gewalt-Training) Problembearbeitung mit den Familien im Rahmen eines zeitlich und inhaltlich festgelegten Trainingszeitrums
Aufbau von sozialer Kompetenz Stärkung der familiären Ressourcen
Erlernen von gewaltfreier Kommunikation Stärkung der erzieherischen Kompetenz
Entwicklung einer selbstbewussten Persönlichkeiten Ermutigung zu elterlicher Präsenz
Erlernen von deeskalierendem Verhalten und gewaltfreien Handlungsperspektiven Erlernen deeskalierender Kommunikation
Vermittlung von Empathie Entwicklung und Einübung von Konfliktstrategien
Erhöhung der Konfliktfähigkeit und Frustrationstoleranz Reflexion des Erziehungsverhaltens und Einüben neuer Verhaltensweisen ( z. B. Umgang mit Begrenzung, Einhalten von Regeln, Vermeidung von inkonsequentem Verhalten)
Erlernen von Toleranz und Rücksichtnahme Hilfestellung und Begleitung bei der Veränderung bzw. Neustrukturierung des familiären Alltags
Aufbau einer positiven Atmosphäre in der Familie Das Wiederfinden einer positiven Atmosphäre in der Familie

Haltung – Handlungsansätze

„Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen wer wir wirklich sind“ – Albus Dumbledore in Harry Potter und die Kammer des Schreckens (J.K. Rowling)

Der Verein geht davon aus, dass das Treffen von Entscheidungen impliziert, dass man sich über einer Vielfalt von Handlungsalternativen bewusst sein muss. Zumindest sollte man jedoch die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten haben. Das Bewusstsein über seine eigenen Fähigkeiten ist in diesem Prozess hilfreich und fördert Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit.

Mit dieser Annahme will „die Schleuse“ delinquentes Verhalten unserer Jugendlichen/Heranwachsenden nicht entschuldigen, die allermeisten wissen sehr wohl schon bevor sie Handeln, dass sie ggf. eine Straftat begehen und nehmen das Anrichten von Schäden (anderen aber auch sich selbst gegenüber) in Kauf. Der Verein ist sich sicher, dass alle dessen Betreuten die Fähigkeiten haben, ein selbstbestimmtes, straffreies Leben zu führen und dennoch wissen sie auch, dass es nicht allen auf Grund ihrer Entscheidungen gelingen wird. Der Verein hat jedoch den Anspruch, in der Zeit dessen Betreuung, so viele Alternativen, Möglichkeiten und Facetten von selbstbestimmtem und gelingendem Leben aufzuzeigen, um die Wahl hin zu straffreiem Leben zu erhöhen. Erst wenn es einen Anlass zur Veränderung gibt, kann man wissen, wieso sich die Anstrengung ritualisiertes Verhalten aufzugeben lohnt. Erst wenn es eine Idee für den nächsten Tag gibt, macht es Sinn, sich einen Wecker zu stellen und pünktlich aufzustehen. Erst wenn man sich seiner Fähigkeiten bewusst ist, kann man Pläne dafür machen, wofür sie einem nützlich sein könnten.

„Die Schleuse“ geht davon aus, dass das Kennenlernen von eigenen Fähigkeiten und Stärken nur möglich ist, wenn man sich auf unmittelbares Erleben einlässt. Gemeinsam wollen sie mit den jungen Menschen handlungsorientiert auf die Suche nach eigenen Fähigkeiten gehen und sie ermutigen, Entscheidungen zu treffen, die zeigen können, wer sie wirklich sind.

Erlebnispädagogische Angebote und Intensivreisen

Besonders wichtig ist in diesem Kontext erlebnispädagogische Intensivreisen. Wenn der Verein nicht mit den Einschränkungen von der Coronapandemie arbeiten muss, verreisen sie einmal im Jahr mit den Adressat:innen. Anspruch dieser Reisen ist es immer, Grenzerfahrungen herzustellen, um die jungen Menschen zu motivieren und herauszufordern über sich selber hinauszuwachsen. So waren wir schon eine Woche lang Segeln, in der Schweiz klettern und in Norwegen Teil der Erstellung eines Monuments zum Gedenken der Opfer durch die Anschläge von Oslo und Utoya.

Der Verein freut sich, in 2022 wieder starten zu können und mit einer Gruppe von 11 Teilnehmenden in Südfrankreich auf der Tarn eine Kanutour machen zu können. Das erlebnispädagogische Intensivreisen wird immer vollständig durch Spenden finanziert. Ohne diese wäre dem Verein die finanzielle Umsetzung nicht möglich.

Weitere erlebnispädagogische Highlights zeigen die Bilder, denn Bilder sagen mehr als 1000 Worte.

Kontakt

Die Schleuse e.V.
Mattenburger Straße 10
27624 Geestland

Tel.: 04745 / 78 11 23
E-Mail: info@dieschleuseev.de
www.dieschleuseev.de